Der Lufthof in Dorfprozelten


„Nicht in Vergessenheit geraten sollte deshalb der »Lufhof« in der Gemeinde, über ein halbes Jahrtausend gehörte er schließlich zum Dorf, und war fester Bestandteil unserer Heimat«, schrieb der ehemalige Heimat- und Geschichts-vereinsvorsitzende Georg Veh in seiner Publikation aus dem Jahr 2017.
Der Lufthof befand sich hoch über Dorfprozelten und direkt oberhalb der Kriegergedächtnis-kapelle in einem staatlichen Waldstück dieses Namens. Dabei handelte es sich zuletzt um einen Schafhof, früher war er jedoch ein Versorgungshof der Kollenburg und etwa zeitgleich entstanden sein. Heute zeugen nur noch Geländespuren und herumliegendes Bruchsteinmaterial von dem ehemaligen Kameralhof.

 

Gemarkungsschild

 

Georg Veh, der langjährige Vorsitzender und Ehrenmitglied des Heimat- und Geschichtsvereins, hatte in den letzten Jahren viele  Quellen gesichtet, ausgewertet und das Ergebnis festgehalten. Der Name »Lufhof« (oder Lufthof, Luffthoff, uffm Lufft, villa Lufhof) taucht in historischen Quellen der Gemeinde über ein halbes Jahrtausend immer wieder auf. Bei allen Bezeichnungen handelt es sich um eine kleine Ansammlung von Gebäuden, umgeben von einem Waldgebiet oberhalb des Mains. Der Hof wurde etwa um das Jahr 1250 durch die Schenken von Klingenberg und Prozelten gebaut, die ehemaligen Besitzer der nahegelegenen Henneburg, die hier um 1150 nicht nur die Henneburg, sondern auch die Kollenburg erbauten.

 

Aus einer Urkunde von 1379 ist ersichtlich, dass Conrad Rüde, Deutsch Ordensmeister, seinem Bruder Eberhard Rüde die Burg „zu Kohlenberg“, das Dorf „zu Ruhenberg“ (Rauenberg), das Dorf „zu Wessigental“, den Hof „zu Trenbach“ (Tremhof) und den Hof »zum Luf« zum rechtem Lehen überließ. Der Deutsche Orden blieb somit weiterhin im Besitz des Lufhofes als Lehensherr, die Rüden auf der Burg Kollenberg waren die  „Lehensempfänger“ und es mußten an die Landesherren persönliche Dienste oder Abgaben erbracht werden. Der mächtige Deutsche Orden hatte daher in dieser Zeit immer wieder Zwistigkeiten mit den Kollenbergischen Rüden. Möglicherweise kam es auch deshalb zu einem Gebietstausche mit dem Erzbistum Mainz, wodurch 1483 der Deutsche Orden diese Gegend aufgab.

 

Karte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Jahr 1594 erstellte Paul Pfinzing der Ältere die erste bekannte kartografische Andeutung des Lufthofes in der Spessartkarte. Dort wird der Lufhof als ein Schafhof bezeichnet. Das Mainzer Fürst- und Erzbistum brachte nach Gebietstausch im Jahre 1483/84 mit dem Deutschen Orden nach und nach auch das gesamte Umland fest in seinen Besitz. Dabei jagten die Mainzer in Gebieten, die damals auch von anderen beansprucht wurden, in diesem Fall von den Rüden von der Kollenburg. Das Jagdrecht war im Mittelalter ein Statussymbol und Privileg des Adels und um das Jahr 1600 beanspruchten sowohl Adam Rüd von der Kollenburg wie auch Kurmainz unter Erz- und Fürstbischof Johann Schweikart von Kronberg das Jagdrecht um den Lufthof. Da keine Einigung erzielt werden konnte, führten die Auseinandersetzungen zu einem Prozess vor dem Reichskammergericht in Speyer.
Dabei wird der Lufhof durch eine Jagdgrenzkarte aus dem Jahre 1612 bildlich dargestellt. Auf dieser »Rüdschen Jagdgrenzkarte ist detailiert die Lage und das Aussehen zu erkennen, dass das umgebende Plateau gerodet war und als Weideland für Schafherden diente.

 

alte Karte

Bei dem Prozess  wird der Lufhof als Rüdisches Eigentum bezeichnet, das an das Kurmainzische Jagdrevier grenzt. Es ist zwar nicht bekannt, wie das Verfahren ausging, aber als Johann,  der letzte der Kollenberger Rüden starb, fiel die Burg 1635 mit all ihren Besitzungen als „heimgefallenes Lehen“ an die Kurmainz zurück, dazu gehörte natürlich auch der Lufhof.

 

Etwa 20 Jahre nach der Rüdischen Jagdgrenzkarte erscheint um 1635 die „Geleitstrassen und Wildtfuhrkarte“, die wichtigsten Einzelheiten sind dabei mit Großbuchstaben auf der Karte aufgeführt, unter der Lufthof unter dem Buchstaben D.

 

 

Vermutlich durch die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges und vielleicht auch durch die Pestepidemien war der Lufhof längere Zeit bis etwa 1700 nicht bewirtschaftet, der erste Pächter In den Matrikelbüchern der Pfarrgemeinde Dorfprozelten wird erst nach 1700 aufgeführt, es handelte sich um Johannes Adam und Marie Nebel ab 1705. Der Hofname tauchte letztmalig im Jahre 1802 in Verbindung mit dem Amt Prozelten auf, vermutlich lohnte dass sich dann die Schafhaltung nicht mehr und es konnte daher kein Pächter mehr gefunden werden. Die Natur eroberte sich das Areal zurück, die Gebäude verfielen nach und nach und gerieten in Vergessenheit.
Erst nachdem der Orkan »Wiebke« im Jahr 1990 zahlreiche Bäume der Waldabteilung Lufthof entwurzelte, waren wieder Überreste der Grundmauern unter den Wurzelscheiben sichtbar.
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Kriegergedächtniskapelle im Jahr 2024, die aus Steinen des ehemaligen Lufthofes erbaut wurde, hat der Heimat- und Geschichtsverein Dorfprozelten beschlossen, in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Spessartprojekt mehr über diese geschichtsträchtige Stätte  herauszufinden. Dies soll als Grabungsprojekt im Jahr 2024 verwirklicht werden. Neue Erkenntnisse aus den Grabungen selbst und aus Grabungsfunde könnten dann eine weitere »Lücke« in der Geschichte Dorfprozeltens schließen. Vor allem genauere Zusammenhänge des Versorgungshofes mit der benach-barten Kollenburg wären hier von großer Bedeutung.
Die Grabungserkenntnisse sollen in einem öffentlich zugänglichem Grabungsbericht, Publikationen in verschiedenen Medien, sowie in einer digitalen Aufzeichnung der gesamten Grabung festgehalten werden.


Der Archäologe Harald Rosmanitz, Grabungsleiter bei vielen Projekten des Archäologischen Spessartprojektes, verbreitete bei seinem informativen Vortrag bei der Generalversammlung am Freitag, 10.03.23, in der Gaststätte »Fröhlichkeit« eine gewisse Vorfreude auf diese Kampagne.